Die Orgel der Rostocker Marienkirche muss saniert werden!
Der nachfolgende Text wurde im März 2018 formuliert – inzwischen ist der Text in einigen Details überholt, aber im Grundsatz zutreffend. Alle aktuellen Entwicklungen erfährt man auf der eigenen Website für die Orgelrestaurierung:
https://marienorgel-rostock.de
Im Blick
Es ist derjenige Gegenstand, der den Besuchern nach dem Betreten der Kirche die meiste Aufmerksamkeit abnötigt: Die Orgel am westlichen Ende des Hauptschiffes.
Schon 1593 wurde an dieser Stelle eine Orgel angebracht, die damals die drittgrößte der Welt war – nun ja, die Orgel-Welt bestand damals auch nur aus Mitteleuropa, aber der Anspruch, den die Stadt Rostock hatte, war ein großer, ebenso wie derjenige, welcher die Marienkirche überhaupt in ihrer prächtigen Form entstehen ließ.
Braucht man so etwas?
Ob prächtiger Kirchenbau oder prächtiges Musikinstrument – der christliche Glaube und der christliche Gottesdienst brauchen ursächlich weder eine Basilika noch eine Pfeifenorgel. Und in Zeiten des Sparens könnte man darauf drängen, auf dergleichen zu verzichten. Doch dem muss etwas entgegen gehalten werden:
Erstens: Auch wenn immer wieder – mal mehr, mal weniger – die Repräsentation von Menschen und Mächten treibende Kraft hinter diesen Projekten war, so war stets ein Anteil christlicher Verkündigung dabei. Die ausgemalten Gewölbe der Kathedralen und die kostbaren Bild- und Schnitzwerke darin sollten dem einfachen Volk eine Ahnung vom Himmel geben. Dieser Ansatz spielt heute wieder eine große Rolle, wenn Menschen ohne kirchliche Bindung in der Begegnung mit kirchlichen Bauten, Kunstwerken und Musik spüren, dass es mehr gibt, als der verstandesmäßig erfassbare Alltagshorizont ihnen anbietet.
Die Orgel – schon 250 Jahre vor Christus von den Griechen erfunden – ist seit etwa eintausend Jahren der Begleiter des Erzählens von zeitlosen Dingen. Ist sie doch das Instrument, das scheinbar niemals atmen muss. So wundert es nicht, dass neben den meisten Konfessionen sogar eine Strömung des modernen Judentums sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts der Orgel als gottesdienstliches Werkzeug zugewandt hat.
Und zweitens: Wir Heutigen haben uns die Marienkirche, ihre Orgel, die Astronomische Uhr und was auch immer da so alles Aufwendungen verursacht, nicht ausgesucht. Es war alles schon da. Die Vorfahren hatten ihre Absichten und haben viel eingesetzt, dies alles zu schaffen. So ist es, und sogar schon unabhängig von religiösen Anschauungen, eine Verpflichtung, dieses Erbe zu wahren.
Eine schwierige Biographie
Die heutige Orgel der Marienkirche geht im Äußeren zurück auf das 1770 von Paul Schmidt, seiner Werkstatt und verschiedenen Bildhauern vollendete Instrument. Im Inneren war es niemals auf der Höhe seiner äußeren Pracht, so dass immer wieder Umbauten und Veränderungen erfolgten. Hatte der II. Weltkrieg die Marienkirche so glücklich verschont, so hat die Orgel am I. Weltkrieg und der damals verfügten „Metallspende“ stark gelitten. Die in den Wirren der NS-Zeit hastig erfolgte Wiederherstellung 1938 hat einst ein zwar annehmbares, aber nicht wirklich überzeugendes Ergebnis geliefert.
Bis heute leidet die Orgel an Mängeln, die bis ins 18. Jahrhundert zurückreichen. Entweder waren die Ausführenden der Umbauten mal nicht kompetent genug, oder es waren die Zeiten schwer und das Budget schmal. Seit den letzten Arbeiten 1983 ist viel Verschleiß aufgetreten, Sicherheitsrisiken (Brandgefahr in der Elektrik von 1938) kamen hinzu.
Es wird Zeit, führenden Orgelbauern zu ermöglichen, unter guten Bedingungen die einst begonnenen Visionen ihrem Ziel entgegen zu führen.
Diese Arbeiten werden sehr aufwendig und langwierig werden. Wie bereits angedeutet, handelt es sich bei diesem Instrument nicht um etwas, das für den Gottesdienst zwingend erforderlich ist. Daher ist die Wiederherstellung des Instruments in finanzieller Sicht keine Kernaufgabe der Evangelisch-lutherischen Innenstadtgemeinde. Wohl aber nimmt sie die Verpflichtung war, die in diesem Erbe besteht, und schafft durch Planung und Voruntersuchungen die Bedingungen dafür, dass die bei derartigen Projekten anzufragenden Stiftungen und Fördereinrichtungen ihre Beiträge leisten können und wollen.
Unterstützung
Auch sind Sponsoren gefragt, nicht zuletzt auch Einzelpersonen, denen diese Orgel am Herzen liegt. In nur drei Jahren hat der Kirchenmusik-Förderverein mithilfe zahlreicher kleinerer Spenden und Patenschaften die Truhenorgel im Wert von 39.000 Euro beschafft. Er hat sich vorgenommen, auch die Finanzierung der Großen Orgel zu unterstützen. Eine Kommission aus Fachleuten wird mit den zuständigen Mitarbeitern der kirchlichen Aufsichtsbehörden das Projekt begleiten. Das Gesamtvolumen wird inklusive der aufwendigen äußerlichen Restaurierung von Orgel und darunter liegender Fürstenempore im Bereich von zwei bis drei Millionen Euro anzusiedeln sein. Für die äußerlichen Arbeiten hat die Stiftung St. Marien ihre dankenswerte Begleitung und Unterstützung zugesagt.
So wie die Marienkirche inzwischen einen Zustand an Schönheit erreicht hat, den sie kaum jemals zuvor hatte, so möge auch die Orgel einem Zustand entgegengehen, in dem sie von Neuem faszinierend erzählen kann vom Unsagbaren und Ewigen.
Karl-Bernhardin Kropf, Kirchenmusiker an St. Marien, 1. März 2018